Eine Milliardenfusion auf dem Paketmarkt: Nachdem die EU den Deal genehmigt hat, schließt der US-Dienst Fedex die Übernahme des niederländischen Express-Anbieters TNT ab – und bringt die Deutsche Post in Bedrängnis.
Der US-Logistikkonzern Fedex schließt die 4,4 Milliarden Euro schwere Übernahme des niederländischen Konkurrenten TNT Express ab. „Wir beginnen ab sofort mit der Integration des Unternehmens“, sagte Fedex-Europachef David Binks in Amsterdam. Der Brite ersetzt ab sofort den scheidenden TNT-Chef Tex Gunning, der die Übernahme durch die Amerikaner zuvor unterstützt hatte. Gleichzeitig verlegt Fedex seine Europazentrale von Brüssel in das TNT-Hauptquartier nach Hoofddorp nahe Amsterdam.
Bereits in der vergangenen Woche hatte Fedex mitgeteilt, dass dem US-Unternehmen 88,4 Prozent der TNT-Aktien angedient worden seien – zum angebotenen Barpreis von acht Euro. Damit seien die Bedingungen für die Komplettübernahme erfüllt, hieß es bei Fedex. Die Angebotsfrist für die noch ausstehenden Aktien läuft bis zum 1. Juni.
Die vor einem Jahr angekündigte Übernahme hatte sich verzögert, weil die EU-Kommission eine vertiefte Prüfung anordnete. So drängte Brüssel TNT, die konzerneigene Luftflotte zu verkaufen. Die 35 Maschinen gingen samt der 580 Mitarbeiter jetzt an die ASL Aviation Group in Dublin.
Mit der Fusion schrumpft die Zahl der weltweit operierenden Express-Anbieter auf Drei. Neben Fedex/TNT mit einem Weltmarktanteil von 22 Prozent bleiben als Wettbewerber nur noch der amerikanische UPS-Konzern (25 Prozent) und die Post-Tochter DHL Express (40 Prozent) im Rennen.
Der Ausgang des Übernahmeversuchs war lange Zeit ungewiss. Schon zwei Jahre zuvor hatte UPS versucht, TNT Express zu übernehmen. Doch die 5,2 Milliarden Euro umfassende Offerte scheiterte am Einspruch der Europäischen Kommission.
„Der Zusammenschluss wird die Branche verändern“, kündigte Fedex-Vorstandschef David Bronczek an. In die Firmenehe bringen die Amerikaner die weltweit größte Frachtflugzeug-Flotte ein. Mit 657 Maschinen steht Fedex unter den gesamten internationalen Airlines auf Rang fünf. TNT dagegen gilt als Spezialist für den Landweg – mit umfangreichen Frachtnetzen in Europa, dem Nahen Osten und Südostasien. Der künftig 400.000 Mitarbeiter zählende Logistikriese werde 220 Länder und Regionen demnächst noch lückenloser abdecken, versprach Bronczek.
Die Marke TNT werde auf absehbare Zeit erhalten, sagte Binks. Zudem wolle man einen signifikanten Personalabbau vermeiden. Auch an den wichtigen Express-Drehscheiben von TNT in Köln, Lüttich und Paris Charles-de-Gaulle werde man festhalten.
Von dem derzeit 53 Milliarden Euro Umsatz schweren Expressmarkt in Europa verspricht sich der neue TNT-Chef ein rasantes Wachstum. „Der Onlinehandel legt derzeit Jahr für Jahr um 15 Prozent zu“, sagte er. Davon wolle man profitieren.
In Bonn sieht man den Zusammenschluss der Konkurrenten gelassen. „Dadurch sehen wir zusätzliche Geschäftschancen“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. Die Erfahrung zeige schließlich, dass Integrationen im großen Rahmen häufig zu Beeinträchtigungen für die Kunden, Dienstleister und Mitarbeiter des Wettbewerbers führten. „Von denen kann DHL profitieren.“
Gegenüber dem Handelsblatt räumte Fedex-Europachef Binks ein, dass die „große und komplizierte“ Integration von TNT mehrere Jahre in Anspruch nehmen werde. Zunächst wolle man die Tagesarbeit fortsetzen, gleichzeitig aber einen Fahrplan für die Eingliederung des ehemaligen Wettbewerbers in Angriff nehmen. Das aber mit aller Vorsicht. „Unsere Kunden kennen die Vorteile, die sich durch den Zukauf von TNT ergeben“, sagte er, „sie dulden jedoch keine Unterbrechungen im laufenden Geschäft.“ Ob es Schließungen von TNT-Standorten geben werde, wollte Blinks auf Anfrage nicht voraussagen. „Wir sind dabei, alle Möglichkeiten zu identifizieren“, sagte er. „Insgesamt ist der Zusammenschluss aber auf Wachstum ausgerichtet.“
Kein Geheimnis machte Binks daraus, wo er seinen Wettbewerbern im Geschäft mit zeitkritischen Transporten das Leben schwer machen will: „Wir konzentrieren uns auf die Branchen Gesundheit/Pharma, Hightech und Automotive“, sagte er. Auch unter den Luxusanbietern und in der Luftverkehrsindustrie werde man verstärkt nach Kunden Ausschau halten.
Quelle: Handelsblatt, 25.05.2016